">

Die anstrengende Nacht des Grafen Ciprian

Linie
Graf Ciprian Noapte war ganz Vampir, wie die menschliche Mystik vorgab!
Sein Cape war von Ernest Fourbi. Mode für den anspruchsvollen Herren der Dunkelheit! Er scheute die Sonne, da er davon wirklich unansehnlichen Sonnenbrand bekam. Geradezu räuchernd!
Seien wir ehrlich! Ein Vampir mit roter Nase, ist weder mysteriös, noch ansprechend oder furchterregend! Damit wurde man höchstens zum Gespött der nächsten Party! Wenn auch Ernests Stil einiges wettmachte!
Diese Eleganz und der ungemein anpassungsfähige Schnitt! Damit gelang jede Verwandlung! Das Cape war Regen abweisend, wärmend in kühlen Nächten auf einem Baum oder in einer verfallenen Ruine. Lichtundurchlässig, sollte man es, betrunken vom Blut der Lebenden, wieder einmal versäumen, rechtzeitig seinen Unterschlupf aufzusuchen. Und rettete einen zudem, wenn man aus Versehen nicht die passende Kleidung von Ernest angezogen hatte.
Oh, das hatte in früheren Zeiten zu extrem peinlichen Auftritten geführt!
Obwohl seine Rückenansicht sehr muskulös war. Kein Wunder, nach täglichen Ausflügen. Das bot ein sehr gutes Training.
Graf Ciprian bevorzugte die Verwandlung zur Fledermaus.
Auch eine der klassischen Weitergaben.
Mit Kreuzen hatte er dabei kein Problem. Oder mit Knoblauch. Oder mit Weihwasser … mit Wasser im Allgemeinen. Mit was sich die Menschen halt versuchten vor ihm zu schützen.
Besonders Amanda Rainfall.
Sie war eine Göttin!
Ihr Blut schmeckte wie ihr Name verriet. Nach einer Sommerwiese, berührt vom sommerlich warmen Gewitter.
Einfach köstlich!
All den Aufwand absolut wert!
Linie
Was Graf Ciprian mundete, traf bei seiner auserwählten Amanda weniger auf Freude.
Wenn einen die Mücken als sommerliches Mitbringsel störten, sollte man erst einmal auf den Speiseplan einer Fledermaus gesetzt werden!
Haut zeigen, adé! Sommerkleider, lebt Wohl! Willkommen Halstücher!
Amanda versuchte es mit allen ihr nur erdenklichen Mitteln, den kleinen Plagegeist aus ihrer Wohnung zu vertreiben.
Sie verschloss ihr Fenster, dichtete jeden Spalt mit Klebestreifen, Stoff und was sie gerade da hatte ab. Irgendwo fand diese kleine, geflügelte Maus immer einen Weg in ihre Wohnung. Und von da zu ihr.
Ob sie nun nackt da lag oder im Ganzkörperanzug.
Es war zum Verzweifeln!
Wie in vielen Nächten, ließ sich erschöpft auf ihr Bett zurück fallen, den Blick zur Decke gerichtet.
Bereit für eine Nacht, in der sie das Dinner war.
Ihr Kopf rollt nach links, wo sie durch das geöffnete Fenster der Nacht entgegen sah.
Der Himmel war fast klar. Nur ein paar Wolken verdeckten die Sterne und zogen in Schwaden vor einem zur Sichel geformten zunehmenden Mond.
Sie war bereit für ihren Gast und erwartete ihn schon.
Linie
Als Graf Ciprian am Fenster von Amandas Schlafzimmer ankam, fand er ihr Fenster weit geöffnet vor, wo es doch sonst mit Fledermaus-Verbotsschildern beklebt war.
Das macht ihn schon ein wenig misstrauisch.
Er flatterte unter schnellem Flügelschlag zum Fenster, um sich dort nieder zu lassen.
Alles wirkte wie sonst auch.
Amandas Bett lag in der Mitte des Raumes an die Wand gerückt, so, dass er sie darin schlafen sah.
Ihre Atmung wirkte regelmäßig. Ruhig. Was mochte sie für einen Traum haben?
Fallen sah er keine. Und doch wollte er nicht blind hinein fliegen.
Nicht, dass er wie das eine Mal, einem Netz ausweichen musste. Oder Amanda noch wach lag, um ihn mit einem Baseballschläger zu begrüßen.
Graf Ciprian bekam in diesen Nächten den begehrten Schluck ihres Blutes. Aber es wurde ihm lästig.
Dieser Kampf zwischen ihnen.
Er. Der nur einen kleinen Schluck dieser Köstlichkeit haben wollte, die durch ihre Adern floss. Und sie. Tat so, als sei es alleine für sie bestimmt.
Nun ja, vielleicht hatte sie ein Anrecht darauf, weil es ihr Körper war, durch den ihr Blut floss.
Aber Vampire fragten nicht!
Sie nahmen sich, wonach sie begehrten!
So war es schon immer und würde es die nächsten Jahrhunderte sein!
Linie
Dieser Abend war anders als alle bisherigen. Denn Amanda schlief nicht. Sie erwartete ihn.
Das ahnte Graf Ciprian nicht einmal, als er so weit auf dem Fensterbrett nach vorne rutschte, bis er beinah drohte zu stürzen.
Darauf lauernd, welche Falle ihm Amanda dieses Mal gestellt hatte.
Ihr Duft wurde bis zu ihm getragen. Verführerisch! Lockend!
Da Graf Ciprian nichts erkannte, was auf eine Falle schließen ließ, flatterte er in den Raum. Lies sich bei der Schlafenden nieder.
Auch hier blieb es ruhig.
Graf Ciprian leckte sich schon die Lippen.
Besonders, als er ihren Arm sah, an dem der Ärmel ihres Nachthemdes herunter gerutscht war.
Unberührt von seinen Zähnen, die sich zum Biss öffneten, während er sich ihr näherte.
Seine Augen schlossen sich, den ersten Bissen schon erahnend.
Mahlzeit!
Als sich seine Zähne schlossen, stießen sie nicht durch Amandas Fleisch. Und es war auch nicht ihr Blut, von dem seine Zunge berührt wurde.
Das, in das er hinein biss, wirkte zäh, klebrig und ganz und gar nicht köstlich.
Widerlich!
Graf Ciprian schreckte zurück. Sich schüttelnd und den ekelhaften Geschmack versuchend weg zu bekommen.
Als er aufsah, sah er eine wache Amanda, in der Hand ein Stück Fleisch.
Linie
Die kleine Flugmaus vor ihr hatte sich auf den Rücken geworfen. Ihr war es so, als versuche das Tier mit seinen Pfoten den Geschmack aus seinem Mund zu bekommen.
Amanda sah verwundert auf das Tier. Das Stück Rindersteake legte sie erst nach einer Weile zurück.
Sieh sah angewidert auf ihre Hand.
„Sehr appetitlich sieht das wirklich nicht aus!“, sprach sie.
Die Fledermaus vor ihr stand auf, gestützt auf ihre Arme. Einen Moment sahen sie sich an, dann schepperte die Fledermaus los, als wolle sie ihren Unmut über das Gericht äußern.
„Lieber gekocht?“
Die Fledermaus verstummte. Einen Moment sah sie Amanda an und schüttelte dann den Kopf.
„Du bevorzugst Blut?“
Dieses Mal ein Nicken. Bestimmt, als sei genau das ihre Voraussetzung.
Amanda legte ihren Kopf in den Nacken.
„Jetzt rede ich schon mit einer Fledermaus. Wenn mir die Leute zuhören, stecken sie mich in die Klapse!“
Ihr Arm legte sich auf das Bett neben die Fledermaus.
„Hier! Trink! Du gibst vorher eh keine Ruhe!“
Linie
Beschwipst von Amandas Blut flatterte Graf Ciprian zurück nach Hause.
Sie mochte ihm davor etwas absolut Undenkbares zu Essen gegeben haben aber der Geschmack ihres Blutes machte das alles vergessen.
Dafür konnte sie ihm noch fünf weitere Steaks anbieten!
Linie
Am nächsten Tag bot sie ihm kein Steak an, sondern eine Schüssel warmen Blutes.
Graf Ciprians erster Gedanke war, sie hätte ihn endlich akzeptiert und gab ihm ihr Blut freiwillig. So wie in der letzten Nacht! Freiwilliger sogar, da sie es hübsch angerichtet hatte.
Ein Trugschluss!
Denn es war nichts anderes, als eine böse Falle!
Ein Schluck dieser widerwärtigen Brühe genügte, den Grafen den Tod erahnend auf ihrem Bett danieder liegen zu lassen.
„Oh je!“, erkannte Amanda ihren Fehler und nahm ihn in ihrer Hand auf. „Tut mir leid! Ich habe dich doch nicht umgebracht, arme Kleine!“
Nein, noch war es nicht um ihn geschehen!
„Du magst also nicht jedes Blut?“
Er richtete sich auf und schüttelte den Kopf.
„Also nur meines?“
Graf Ciprian nickte.
Bitte ohne solche gruseligen Vorspeisen!
Amanda lachte auf. Was in seinen Ohren so süß klang, wie ihr Blut für ihn schmeckte.
„Man könnte fast meinen, du seist ein Vampir! Was albern ist, da es keine Vampire gibt!“
Oh doch, die gibt es!
Graf Ciprian könnte sich vor ihr Verwandeln, doch er tat es nicht.
In der Vergangenheit versuchten einige ihrer Art, ein Leben mit den Menschen aufzubauen. Nicht zuletzt Ernest Fourbi, der mit seiner Modelinie gerne alle Spezies beliefern würde. Vorgestellt hatte er in der Vergangenheit schon seine Kreationen wie eine Linie aus unsichtbarer Kleidung für den, der es gerne gewagt versucht, oder ein selbst schnürendes Korsett.
Fragte man Ernest Fourbi, sagte er einem, die Zeit wäre noch nicht reif für ihn gewesen.
In Wahrheit waren seine Kreationen für menschliche Wesen unnütze und konnten für sie schnell gefährlich werden.
So hatten diese zur Bloßstellung eines Kaisers geführt und zum beinah Tod einer Prinzessin. Heute, mochte man nur noch in Märchen über solche Missgeschicke reden, damals hat es für mächtigen Ärger gesorgt.
Graf Ciprian mochte damals noch nicht gelebt haben, war aber froh, dass die Zeiten von Fledermaus am Spieß vorbei waren.
Und er wollte ganz sicher nicht der Grund sein, die Fackeln ein weiteres Mal zu entfachen.
Daher kuschelte er sich nur an Amandas Arm, als diese ihm diesen für das heutige Mahl anbot.
Linie
Was die furchtbaren Vorspeisen anbelangt, hatte sich Amanda den nächsten Tag darin eingelesen, was bei Fledermäusen so auf dem Speiseplan stand.
Daher erwartete Graf Ciprian am Abend eine kleine Schüssel aus sich windenden Maden.
Er sah Amanda an, den Würgereflex unterdrückend.
Du verlangst doch nicht echt, dass ich das esse?
Wenn es bedeutete, nur so an ihr Blut zu kommen, musste er sich überwinden.
Daher schloss Graf Ciprian die Augen.
Überhaupt einen Bissen zu nehmen, kostete ihn schon all seine Kraft. Schlimmer war es, dass diese Maden in seinem Mund herum krabbelten.
Es schüttelte ihn.
Noch einmal, als er zubiss. Wie bei jedem weiteren Mal. Ein letztes, viel stärkeres Mal beim herunter schlucken.
Amanda fing ihn beim Umfallen in ihrer Hand auf und wirkte besorgt.
„Immer noch nicht dein Geschmack?“
Graf Ciprian hatte nicht einmal mehr dir Kraft, den Kopf zu heben, um diesen zu schütteln. Es gelang ihm auch gerade noch so, zuzubeißen, als Amanda ihn sich auf ihren Arm legte.
Wenn es ein Versuch war, ihn umzubringen, befand sie sich auf dem richtigen Weg!
Linie
Am nächsten Tag waren es Grillen. Dann Würmer. Als nächstes Käfer. Als sie ihm ein Glas mit selbst gefangenen Motten hinstellte, war für Graf Caprin Schluss!
Sie konnte doch nicht verlangen, dass er denen hinterher jagte!
Er war keine richtige Fledermaus!
Daher stellte er sich bockig.
Linie
Amanda sah auf die kleine Kreatur vor sich, die nicht willig war, die Motten zu jagen.
Irgendwas machte sie bei ihrer Auswahl an Fledermausfutter falsch.
Etwas es musste her! Sie konnte doch nicht ewig dieser kleinen Flugmaus als Blutspender dienen!
Doch Amanda wollte sie nicht gleich umbringen.
Irgendwie war diese kleine Fledermaus auch niedlich. Mit ihren Knopfaugen, den großen Ohren und wie sie so da stand.
Amanda gab sich einen Schubs und reichte ihr ihren Arm.
Wenn das kleine Ding schon solche Probleme mit Lebendfutter hatte, würde sie ihm halt etwas anderes bieten.
Linie
Und da reichte ihre Palette über alles, was sie im Haus hatte. Gekochte Nudeln und Reis, Gemüse, Obst, nichts schien die Fledermaus von ihrem Blut abzulenken.
Linie
Nachdem er das beinah einen Monat mitgemacht hatte, war endgültig Schluss, als sie ihm eine grüne Kugel entgegenstreckte.
Er war ein Vampir! In seinem ganzen Leben war ihm noch kein Mensch untergekommen, der ihn versuchte mit vegetarischer Kost von Blut abzulenken! Das würde auch hier nicht passieren!
Graf Ciprian hatte fiesen Knoblauchregen ertragen, Pfefferwolken, Wasserattacken, eine Welle von so lauter Musik, dass er froh war, überhaupt noch hören zu können. Er würde auch dieses Mal wieder siegen!
Daher flog er auf sie zu, um das Ding herum und sah es doch nicht kommen, dass Amanda dieses packte und ihm gegen den Kopf warf, gerade, als er sein Maul öffnete, um sich an ihr festzuhängen.
Statt ihrer weichen Haut, biss er in die grässlich grünen Schale dieses Dings. Statt ihrem leckerem Blut, lief ihm die rosa Soße in sein Maul.
Graf Ciprian wusste nicht, ob es aufgrund einer möglichen Gehirnerschütterung war aber schlecht schmeckte es nicht.
Nicht so traumhaft, wie Amandas Blut und doch angenehm.
Er würde damit leben können.
Jedenfalls für diesen Tag.
Daher flatterte er auf das runde Kugelding.
Seine Zehen gruben sich in die Harte Schale ein. Klammerten sich daran fest.
Es kostete ihn seine ganze Kraft, die Kugel in die Luft zu heben.
Amanda schenkte ihm einen besorgten Blick auf sein Versuch, die Melone aus dem Zimmer zu tragen.
Es kostete ihn länger als bei jedem anderen Flug und er blieb zuerst am Fenster hängen. Doch er schaffte es hinaus.
Hoch zum Dach, wo er sich niederließ.
Er wollte sich vor Amanda nicht die Blöße geben, die Melone zu futtern.
Außerdem konnte er sich hier unbemerkt von allen verwandeln. Als Vampir fiel es leichter, dieses Mahl zu essen.
Und je mehr er davon aß, umso angenehmer wurde es.
Eine wässrige Süße, die seinen Gaumen kitzelte. Ein fruchtiger Regenschauer.
So angenehm, dass er es nicht zugeben mochte, aber froh war, dass Amanda ihm in der nächsten Nacht ein Stück davon anbot.
Linie
Mit jeder Nacht, die er Amanda besuchte, blieb er ein Stück länger bei ihr.
Zuerst nur so lange, wie sein Stück Melone reichte.
Graf Ciprian wusste nicht zu sagen, weswegen ihm Amandas Blut umso vieles mehr schmeckte, als dass der anderen. Aus dem gleichen Grund, den er begann diese Frucht zu mögen?
Um die Zeit mit ihr zu verbringen?
Dass er irgendwann nicht mehr nur nach erbeuten seines Mahl verschwand, sondern ihrer Stimme lauschte. Um dann länger zu bleiben. Zu einem Film.
Amanda fand es witzig, wegen des Anlasses, dass sie im Scherz meinte, er sei ein Vampir, einen Vampirfilm zu sehen.
Graf Ciprian lag in ihren Armen und wirkte erzürnt über die Geschichte.
Das soll ein Vampir sein? Wo bleibt das Blut, wo bleibt der Biss? Vampire sind keine Vegetarier! Dachte er und schmatzte an seiner Melone, mit der ihm sein Fehler bewusst wurde. Oh! … Ha! …. Ja!… Verzeiht! … Sie sind Melotarier! Aber wo bleibt das Cape? Was ist schon ein Vampir ohne sein Cape?
So viele Jahrhunderte leben wir schon unter ihnen und sie haben nichts gelernt!
Aber die Menschheit war noch jung. Und vielleicht würden sie selbst irgendwann erkennen, dass sie nicht alleine waren.
Vielleicht würde es dann zwischen ihnen so werden, wie jetzt zwischen Graf Ciprian und seiner Amanda.
Linie