Kapitel 5

Feder
Harmonische Klänge entstiegen den Musikinstrumenten der fünf fahrenden Musiker. Nur in wenigen Momenten entfesselte sich ein wilderer Klang. Genau den nutzte das Mädchen, ihren Körper im Tanz zu strecken und dehnen.
Während des Tanzes umspielte ein hellblaues, durchsichtiges Stück Stoff ihren Körper. Es schmiegte sich an Arme und Beine und präsentierte ihre freien Hautstellen lockend den Männern.
Dabei verließ sie sich nicht alleine auf ihre Ohren. Sie musste die Musik ganz in sich aufnehmen, um nicht aus dem Takt zu kommen, der oft vom lauten Gegröle der Männer übertönt wurde.
Über ihnen war ein Zelt gespannt. Auf dem fahlen, zertretenen Gras saßen die Männer bei einer nie endenden Fülle von Wein und Bier. So musste das Mädchen noch nicht einmal nachhelfen. Sie tranken sich schon vor ihrer Animation ins halbe Koma.
Nur die beiden Anführer hielten sich während ihres Plausch damit zurück. Während ihre Untergebenen ausgelassen die dargereichte Speise und Trank kosteten, benötigten sie einen kühlen Kopf.
Trotzdem konnte sie nichts davon abhalten, die hübsche Tänzerin mit einigen ihrer Blicke zu bedenken. Und selbst jetzt wurde schon klar, wo die Männer sie am Ende des Tanzes sahen. Nicht auf ihrem Pferd mit der vereinbarten Summe. Das stand keinem von ihnen im Sinn und auch die Musiker würden in Gefahr geraten.
Das Mädchen legte ihren Kopf in den Nacken. Blonde Locken fielen ihr über die Schulter, welche nicht zum geflochtenen Kranz um ihre Stirn gehörten.
Es waren 25 bis an die Zähne bewaffnete Männer, von denen die meisten betäubt vom Alkohol noch nicht einmal mehr gerade aus laufen konnten. Vor ein paar Tagen mussten sie einen Weinhändler überfallen haben.
Ihre Augen spähten jeder noch so lasziven Bewegung nach, um mehr von dem jungen Körper der 18-Jährigen zu erhaschen. Zu ihrem Bedauern wusste sich das Mädchen gekonnt zu bewegen, um nicht zu viel unter dem recht knappen, hellblauen Kleid zu offenbaren.
Einige der Männer versuchten sogar ihre samtene Haut zu berühren, wann immer sie sich ihnen nähert. Selbst dem entwand sie sich spielerisch, ohne das lockende Versprechen ihrer Anführer zu zerstören.
Der Schleier verhüllte im Tanz einen Moment ihr elfenhaftes Gesicht. Langsam sank er hinab und ihre strahlend blauen Augen schenkten nur den beiden Anführern Aufmerksamkeit, denen sie sich in ihrem Tanz langsam näherte.
Am liebsten nutze sie zum Tanz nicht dieses Tuch, sondern ihre Dolche.
Beeindruckende gebogene Klinge, mit der Gravur eines zürnenden Drachen. Ein Bild, das kaum zu dem zarten Geschöpf passen wollte, aber so manchen Betrachter in seinen Bann zog.
Diese wurden ihr abgenommen, damit sich das Kätzchen beim späteren Plan nicht wehrte.
Das ließ sie nicht abschrecken. Alina war zu geschickt darin so manchen zu bezirzen. Sie fand immer einen Weg sich aus solchen Situationen zu manövrieren. Und bisher begegnete ihr unter den Räubern auch kein ernst zunehmender Gegner.
Ihre Schritte im Tanz führten sie galant durch die Räuber, bis hin zu ihren Anführern.
Einer von ihnen besaß eine hohe Statur. Seine kräftigen Schultern fühlten sich unter ihrer Berührung steif an. Die Muskeln spannten unter der Haut.
Zu Anfang beäugten sie seine braunen Augen misstrauisch. Er war es nicht, der allen von ihnen einen wundervollen Abend versprach. Aber selbst er betrachtete sich das junge Mädchen vor sich jetzt fasziniert, mit der stillen Vorstellung, wie er sich den mit ihr gestalten konnte.
Er könnte ihr Probleme bereiten. Besonders in seinem doch noch recht nüchternen Zustand und wo er die Kämpfe nicht alleine von seinen Untergebenen ausfechten ließ.
Alinas zierliche Hände griffen nach der Weinkaraffe. Alleine der Geruch des starken Alkohols ließ sie ins Wanken geraten. Sofort fing sie sich wieder und schenkte erst dem großen Räuberanführer ein, dann dem Mann an seiner Seite.
Kaum hatte sie die Karaffe wieder auf ihrem Platz gestellt, zog der andere Mann sie grob auf seinen Schoß.
Für einen Moment offenbarten sich in ihrer Miene ihre wirklichen Gefühle. Wut über diese Demütigung, hier vor diesen abscheulichen Männern zu tanzen. Sich ihnen wie ein Stück Fleisch in einem Hauch von Nichts zu präsentieren, dass von ihnen später als die Verpackung eines Geschenkes geöffnet werden sollte. Sie verabscheute diese Aufträge und besonders den Mann, auf dessen Schoß sie jetzt saß und an dessen wabbeligen Körper sie gedrückt wurde.
Es widerte sie an!
Aber noch durfte sie nicht aufspringen und den Wolf womöglich auf ihre Spur locken. Sie musste weiter die verführerische Tänzerin spielen.
Und genau wie das Stück Stoff ihres langen Tuchs sich in einer verheißenden Berührung um den doch schon recht kahlen Kopf des Räuberanführers legte, solch eine Verführung nahm auch ihr Lächeln an.
Den anderen Räuber konnte man trotz seiner großen Narben, die teilweise auch das Gesicht entstellten, attraktiv nennen. Dieser Fettkloß mit seinem aufgedunsenen Gesicht und den hervorquellenden Augen, mit denen er jeden Teil ihres hübschen Körpers betrachte, war einfach nur abstoßend für sie.
In einem Grinsen offenbarten sich zwei Reihen verfaulter Zähne, nur darauf wartend, seinen Mund auf ihren Körper zu pressen.
Alina musste sich ein Erschaudern unterdrücken.
Sie fragte sich, wie er seine Untergebenen dazu brachte, ihm jeden Wunsch zu erfüllen. Er selbst ging nicht mit ihnen auf Diebeszug.
Was auch immer er sich aus dieser Zusammenkunft versprach, würde es nicht sehr gut für den anderen laufen. Vielleicht versprach er sich in der Zusammenführung beider Räubergruppen einen hohen Profit.
„Komm mein süßes Püppchen!“, hauchte der Räuber mit seinem stinkigen Atem an ihr Ohr. „Lassen wir das alles! Ich habe ein besonders Geschenk für dich.“
Alina wollte nicht wissen, was er sich darunter vorstellte.
Ihr Finger legte sich auf seine dicken Lippen.
„Einen Augenblick!“, rief sie in einer verführerisch, süßen Stimme. „Lasst mich meinen Tanz noch beenden. Ich habe ein ganz besonderes Finale für euch vorbereitet!“
Während der Bewegung im Aufstehen blieb der Schleier auf seinem Kopf zurück. Dafür umschlossen ihre Hände den Griff des Schwertes an seiner rechten Seite.
Mit Leichtigkeit gelang es ihr, die Waffe zu ziehen.
Eine schnelle Drehung, in deren Abschluss sie sich zu dem anderen hinunterbeugte, so dass sie sich auf dem Boden abstieß und der zweite Räuber Blick auf ihren gespannten Busen und Bauch erhielt.
„Darf ich mich mit dieser Dirne auch noch vergnügen?“, wollte der große Kerl von seinem Gastgeber wissen.
Keiner von beiden bemerkte es. Sogar jetzt nicht, wo ihre Hand, in der sie das Schwert verborgen hielt, an ihrer Seite ruhte. Mit der anderen tastete sie sich langsam zu seiner linken Seite vor, immer darauf bedacht nicht das Gleichgewicht zu verlieren.
„Sicher, sicher!“, versprach der dicke Kerl.
Oh, wie Alina solche Aufträge hasste. Dafür konnte sie einen kleinen Bonus einstecken.
Unter dem Zelt stand die Vereinigung zweier Räuberbanden an. Die Köpfe der Anführer würden ihr insgesamt 170 Goldstücke einbringen. Dazu noch der Betrag, den sie im Voraus für ihren Auftritt vor ihnen bekam. Dabei waren das nur 30 Goldstücke. Dann alle Habseligkeiten, die sie finden würde.
Eine recht schmale Beute. Es würde ihr aber etwas Ruhe bescheren, bevor sie wieder auf die Jagd gehen musste.
Abgemacht war, dass ihr Tanz eine Privatvorführung vor den beiden Anführern werden sollte.
In der vorangehende Planung des Auftrages, nahm sie an, sich einen Weg durch die Bande kämpfen zu müssen, um die Beute lebend fort zu schaffen.
So abgefüllt, wie die jetzt waren, fand sie es umso besser.
Ihr Körper hob sich in einer eleganten Bewegung. Dabei riss sie das zweite Schwert mit sich. Die leichten Schwerter eigneten sich gut im Kampf mit beiden Händen. Oder als Requisit im Tanz, wie sie ihnen vormachte.
„Dieses verdammte Weibsbild!“, knurrte der große Mann. „Sie kann nicht einfach unsere Schwerter nehmen.“
Er wollte schon aufstehen, was der Dicke mit einer Geste verhindert.
„Kennst du nicht die Gerüchte? Diese Kopfgeldjägerin soll es auf uns abgesehen haben.“
„Dieses kleine Ding ist eine billige Tänzerin!“, rief der Dicke und entblößte seine fauligen Zähne. „Nicht mehr, nicht weniger! Gerüchte, nichts weiter! Wer weiß, ob dieser Engel überhaupt existiert. Es weiß niemand, wie sie aussieht.“
Alina lächelte.
Diesmal aus reiner Freude.
Diese beiden würden den berüchtigten Engel kennenlerne. Wenn auch auf eine Art, die keiner sich wünschte.
Mit den Waffen in der Hand tänzelte sie an den Räubern vorbei in die Mitte des Raumes, wo sie die Schwerter vor sich kreuzte. Ein Tanz folge, dem die Räuber mit Faszination folgten.
Unter ihnen ein junger Räuber, der sich im Gegensatz zu seinen Kameraden gut zu benehmen wusste. Er schenkte ihr keine derben Sprüche, sondern höchstens ein hübsches Lächeln, das sie gerne entgegnete.
Wenn er sich weiter benahm, vielleicht verschonte sie ihn dann.
Alina bog und wiegte ihren Körper zur Musik und im Tanz mit den beiden Schwertern. Manches Mal ließ sie die stumpfe Seite der Klingen über ihre Haut an Armen, Bauch und Bein fahren.
Schwerter waren nicht ihre Waffen. Vor Jahren einmal. Damals unterrichtete ihr Vater sie darin. Jetzt kämpfte sie mit ihren Dolchen, die als Tanzrequisiten kaum auffielen.
Für diesen Auftrag würde es so gehen müssen.
Alina näherte sich im Tanz den Räubern, die von ihren Anführern am weitesten entfernt saßen. Dort hielt sie in einer Position inne, die den Spielleuten verdeutlichte, ihre wirkliche Aufführung würde nun beginnen.
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Das Verstummen von Spiel und Musik beunruhigte keinen der Räuber. Sie dachten eher an ein ganz besonderes Geschenk, wie es ihnen ihre Anführer versprachen.
Alina ließ sogar zu, dass zwei der Räuber ihre Beine berührten.
Sie lächelte.
Nicht zu den Berührungen dieser beiden widerlichen Männer. Es galt ganz alleine deren Anführern.
„Gestatten, man nennt mich den blutigen Engel“, stellte sich Alina mit einer angedeuteten Verneigung vor. „Wie ihr richtig gehört habt, bin ich Kopfgeldjägerin.“
Kaum hatte sie dies gesagt, ließen die Männer ihre Haut los, als sei sie so heiß, dass sie sich daran verbrannten. Selbst nachdem sie zu ihren Waffen griffen, verwischte sich das Lächeln auf ihren Lippen nicht.
Alina hob die beiden Schwerter an.
Eine geschickte Drehung wie in ihrem Tanz und die Klinge sauste scharf durch die Kehlen der beiden Männer, die ihr am nächsten saßen. Diese beiden Kerle, die eben noch meinten, eine Erlaubnis zu haben, sie zu berühren.
Ein roter Strahl Blut bespritzte die schlanken Schenkel des Mädchens und lief daran hinab zu ihren Füßen.
Damit musste sie sich nur noch um 23 der Räuber kümmern. Von denen einige einfach so da saßen, wie die Lämmer auf einer Schlachtbank, ohne zu verstehen, was hier passierte.
Alina kreuzte die Klingen vor sich, nur um sich kurz darauf bereit zum Kampf aufzustellen.
„Verdammte Dirne!“, keifte der große Anführer. „Das wirst du bereuen!“
Wenn er es meinte!
Alina mochte jung sein, war aber durch und durch Jägerin. So schnell brachte sie niemand von ihrer Beute ab, oder verletzte sie. Das konnte sich das Mädchen bei der Vereinbarung mit beiden Berufen nicht leisten.
Nicht die Kopfgeldjägerin; nicht die Tänzerin. Wobei eine von beiden Aufgaben sie bevorzugen würde.
Der große wollte seinen Räubern gerade den Befehl geben auf sie loszugehen, da hielt ihn der dicke Kerl zurück. Alina durchfuhr automatisch ein Zittern, das sich bis zu den Schwertspitzen fortführte.
Sein Blick auf ihr fühlte sich so widerlich an, dass sie gerne bei ihm weiter gemacht hätte. Ein hochrangiger Beamter wollte, dass beide dem Richter vorgeführt wurden. Dass musste sie sich immer und immer wieder sagen.
„Fangt sie aber krümmt dem Vögelchen keine Feder“, rief der Dicke. „Es gibt sehr viele, die für ein gefangenes Vögelchen eine hohe Summe bezahlen würden. Außerdem wollen wir uns doch nicht den Spaß nehmen lassen.“
Er verzog seinen Mund zu einem fauligen Lächeln.
Und obwohl es dem Großen nicht recht war, tanzte er schon nach Wunsch seines Kameraden.
„Vergesst es!“, stieß Alina aus.
Geschickt sprang sie nach hinten, mitten in die Schar Räuber, von denen ein paar nun da standen. Einige geschickte Schwerthiebe, schon bereiteten die Räuber dem Kätzchen Platz, über dessen Wangen sich eine feine Spur Blut zog. Nicht ihr eigenes.
Einer von ihnen stand vor ihr, die Hand auf seine Brust gepresst, unter der sich ein roter Fleck ausbreitete. Zwei weitere kamen mit schwächeren Verletzungen davon.
Schwerter waren einfach nicht ihre Waffen. Wie sehr vermisste sie ihre leichten Dolche, mit denen sie flink durch die Räuber geeilt wäre. Ein paar gezielte Stiche hatten bisher manchen zu ihren Füßen knien lassen. Für die Schwerter fehlte ihr an Kraft.
Sie schaffte nicht, ihren Gegner mit gezieltem Schlag zu enthaupten.
Und selbst jetzt taten ihr von der kurzen Anstrengung schon die Arme weh.
Sie konnte nicht aufgeben. Immerhin stand sie hier vor einer Meute hungriger Wölfe. Wenn sie schon vorher darauf aus waren sich das Mädchen gefügig zu machen, wollte Alina nicht wissen, was nach all dem mit ihr angestrebt wurde.
Zwei der Räuber sprangen gleichzeitig auf sie zu. Darunter der, dem sie eben den bösen Kratzer zugefügt hatte.
Unter dem ersten Schlag duckte sie sich, nur um kurz darauf nachzuholen, was ihr zuvor misslang. Die scharfe Klinge pflügte durch die Haut des jungen Mannes, als sei diese ein dünnes Papier.
Kurz darauf stieß sie dem zweiten das Schwert in den Bauch. Ein weiterer wagte sich vor, dessen Reaktionszeit durch den Alkohol so stark vermindert wurde, dass es ihr mit Leichtigkeit gelang ihn dahin zu strecken.
Es blieben 20 Räuber übrig.
Einer von ihnen fiel ihr den ganzen Abend über auf. Er besaß eine angenehme Ausstrahlung und Alina bedauerte, gegen ihn kämpfen zu müssen.
Er trat vor sie, in der Hand den erhobenen Krug.
Das tönerne Gefäß kippte nach rechts und vergoss seinen Inhalt neben ihm.
„Im Gegensatz zu diesen Idioten habe ich nichts getrunken holder Engel, Alina.“ Auch er ergriff sein Schwert. Mit einem Lächeln, das Alina kurz aus der Bahn warf.
Da hatte sie sich schon auf einem schnellen Kampf gefreut und dann musste sie womöglich gegen zwei ernst zu nehmende Gegner kämpfen.
Ihre Unachtsamkeit hätte ihr beinah zum Verhängnis werden können.
Der junge Räuber sprang vor, auf sie zu. Alinas zitterndes Schwert erhob sich. Da griff er schon nach ihrem Arm.
Ehe Alina verstand, schubste er sie hinter sich, wo einer seiner Kameraden folgte. Instinktiv riss sie diesem mit ihrem Schwert den Brustkorb auf. Als sie zurück sah, konnte sie erkennen, wie der Fremde zwei der Räuber mit einem gezielten Schlag seines Beidhänders richtete.
„Mein Name lautet Mos“, stellte er sich ihr vor. „Ich habe lange nach euch gesucht und bin angenehm überrascht, welchem bezaubernden Wesen mir hier gegenüberstehe.“
„Ich bin geschmeichelt!“, verlieh Alina ihren viel zu deutlichen Gefühlen Worte.
Ihre Wangen pochten vor Scham und ihr Herz schlug im schnellen Takt. Anders als bei ihren sonstigen Kämpfen, war das Fieber des Kampfes nicht für ihren Herzschlag zuständig.
„Nun habt ihr mich gefunden. Und was wollt ihr von mir?“
„Wir sollten später darüber reden!“, rief er mit einem Nicken auf die Räuber. „Ich kümmere mich um das Gesindel, edle Dame!“
Ihr Herz jauchzte über seine galanten Worte auf.
Edle Dame.
Sie wurde wohl nie so betitelt. Dirne konnte da schon schmeichelhaft sein. Es störte sie aber auch nicht, einen Mitstreiter gewonnen zu haben. Selbst wenn sie der Wechsel von einer Seite auf die andere misstrauisch stimmen sollte.
Alles erschien ihr im Glanz seiner charmanten Art egal.
„Die Anführer sind mir!“, rief das Mädchen, ehe sie ihr Schwert erneut erhob. „Jemand wünscht sie in Beldors Gerichtssaal. Einem Wunsch, dem ich sehr gerne entspreche.“
Alina sprang auf die Bande zu.
Einer kam ihr entgegen. In seinem geröteten Gesicht stand Zorn, seine Bewegungen wirkten ungelenk, verlangsamt vom Alkohol in seinem Körper. Kein wahrer Gegner, wie die fünf anderen, an denen sie vorbei musste, um zu den beiden Anführern zu gelangen.
Für Alina ergaben sie kein Hindernis, und wie sie vermutete, stellte sich nur einer von ihnen zum Kampf.
Der große Räuber, hinter dessen Rücken sich der dickliche Widerling verbarg.
Bei allem, was sie heute schon erdulden musste, wäre es ihr eine Freude diesem Kerl mit dem Schwert auf die Finger zu schlagen.
Ihre Lippen verzogen sich zu einem Lächeln. Ihr Gegner vor der zarten Gestalt griff nach links, wo er sein Schwert verwahrte. Im gleichen Moment legte sich dessen Klinge unter die Kehle des Mannes.
„Ein schönes Stück!“, lobte sie ihn. Im Schein des hereinfallenden Lichtes leuchteten die Rubine im Griff auf. „Es wird mir sicher leicht fallen, das Schmuckstück zu verkaufen.“
Hinter sich hörte sie die Räuber aufschreien.
Was sie sich ebenfalls eingestehen musste. In Mos fand sie einen ausgezeichneten Schwertkämpfer. Sie konnte sich froh schätzen ihn auf ihrer Seite zu wissen, statt auf der ihrer Gegner.
Die letzten der Räuber hauchten ihr Leben aus.
Eigentlich würde sie jetzt nach ihrem Kameraden rufen, damit dieser ihr half, ihre Beute zu verschnüren. Dieses Mal kam ihr ehrenwertere Hilfe zu.
Mos, der hübsche junge Mann, von dem sie immer noch nicht wusste, auf wessen Seite er stand und sie mit seinem Lächeln verzauberte.
Freund oder Feind? Wer mochte das zu sagen, bei einem solch dunklen Gewandt, dass auf nichts Aufschluss gab.
Wer mochte er sein und was wollte er von Alina?
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Eines war sicher. Dieser Mann vor ihr, nur etwas älter als ihr Kamerad hatte Manieren, die ihrer Gesellschaft fehlten.
Dabei meinte man, ein Junge aus besserem Hause müsste sich auch so zeigen.
Wenn er das tat, dann nicht vor Alina. Vielleicht konnte er sich an dem Gentleman etwas abschauen, der gerade mit einem Strick die beiden Räuberanführer vor ihrer Klinge fest aneinander band.
„Ihr seit wahrlich eine wunderschöne Frau“, schenkte er ihr ein Kompliment von vielen. „Man könnte euch fast alles verzeihen.“
Ihre Schwerter senkten sich dem Boden zu.
Wieder fragte sie sich, wer dieser Schöne mit diesen wundervollen Worten bloß war. Musste sie ihn kennen? Durfte sie ihn näher kennenlernen?
Ihre Lippen schenkten ihm ein verzücktes Lächeln, das er sofort erwiderte.
„Legt das Schwert weg“, schlug sie vor. „Ohne das lässt es sich leichter reden.“
„Da gibt es nur ein Problem“, sagte er mit seinem schönen Lächeln, auf das Alina ihn verwirrt ansah. Das Vorhaben sein Schwert beiseitezulegen hegte er nicht. „Auch wenn ihr eine reizende Gestalt seid, so kann man euch doch nicht alles entschuldigen?“
„Was?“, entstieg es ihrer Kehle. Eilte er doch nicht auf ihre Seite?
„Du hast vor einigen Jahren einen Händler getötet, vor dem du tanzen solltest“, berichtete Mos mit nun nicht mehr so netter Stimme, die sie wusste zu umgarnen. Alles in ihm zeigte sich mit dem leise vor sich hin schwellenden Feuer seiner heißen Wut. „Er war ein unbescholtener Bürger, kein solches Gesindel wie diese dreckigen Diebe.“
Alina ging in Gedanken alles durch, was sie getan hatte oder musste.
Manche Händler befanden sich darunter. Meist diebisches Pack, das gerne Fälschungen verkaufte oder sich aus anderem Grund gelistet bei den Kopfgeldern wieder fand.
Eines hatten sie gemeinsam …
Keiner von ihnen war unschuldig!
„Nie hat jemand über ihn ein böses Wort fallen lassen!“ In seiner Wut setzte Mos einen Schritt auf das Mädchen zu.
Alina wich zurück. Sie wollte die Schwerter nicht ergreifen. Nicht wenn es sich um eine Verwechslung handelte. Das ließ sie auch laut werden.
„Alle haben ihn geliebt und er wollte nur deiner Darbietung zuschauen.“
„Wann?“, verlangte das Mädchen zu erfahren. „Wann soll das passiert sein? Ich mache keinen Fehler!“
Die meisten ihrer Aufträge schickte Beldor ihnen. Wie auch heute, wo sie für einen seiner Freunde diese beiden Diebe aufspüren sollte.
„Er war mein Bruder!“
Die letzten Worte, bevor Mos sein Schwert hob und auf Alina zustürmte.
Geschickt parierte sie den Schlag.
„Du wirst bereuen, was du meinem Bruder vor zwei Jahren angetan hast!“, spuckte er ihr wild entgegen.
Alina tauchte ab, vorbei an ihn.
Es gab ein paar Begegnungen mit ihren Zuschauern, die für diese tödlich endeten. Aber das waren keine braven Leute.
Die meisten versuchten, über sie herzufallen. Wohl auch sein Bruder. Für Alina hieß es dann immer. Entweder sie, oder die! Genau wie jetzt.
Nur das ihr Gegner diesmal kein angetrunkener Grapscher war, sondern ein guter Kämpfer mit klarem Verstand. Viel zu gut für die ungeübte Kopfgeldjägerin.
Passierte nicht bald ein Wunder, ging sie unter.
„Ero!“, brüllte Alina in einer letzten verzweifelten Tat, während sie die Schläge abwehrte.
Ihre Schreie bleiben ungehört.
„Niemand wird dir helfen, kleines Engelchen!“, höhnte der Feind und wusste dabei nicht, wie wahr seine Worte waren.
Ihr Kamerad kümmerte sich gewöhnlich nicht darum, wenn sie angegriffen wurde. Lieber ging er irgendeiner andere Beschäftigung nach, bis es Zeit wurde, die Beute einzuladen.
Trotz ihrer unterlegenen Fähigkeiten nutzte sie alles, was sich ihr bot.
Mit beiden Schwertern wehrte sie seine Schläge ab und griff von sich aus an. Nichts beeindruckte den geübten Kämpfer. Es gelang ihm sogar, eines der Schwerte Alinas Händen zu entreißen.
Das schöne Rubin besetzte landete im hohen Bogen weit weg von ihr, auf der Erde.
„Ich dachte, der blutige Engel würde besser kämpfen können.“ Mos klang über diese Erkenntnis bestürzt. Worauf Alina wieder einen Schrei loswerden ließ.
„Ero, verdammt! Hilf mir endlich, du fauler Bastard!“
Keine sehr freundlichen Worte an ihren einzigen Verbündeten. Dabei musste er sich in der Nähe aufhalten. Vielleicht sogar ihr ganz nah.
Sollte er hoffen, dass sie unterging, sonst wären es seine letzten Minuten!
Für einen Moment wendete sie ihren Blick dem offenen Zelteingang zu. Eine Unachtsamkeit, die ihr Gegner schamlos ausnutzte.
Er verletzte sie nicht etwa. Nein, sein Schwert fuhr unter den dünnen Stoff ihres Ärmels. Ein einziger Schnitt, schon rutschte es die rechte Seite hinab, wo es nicht nur ihre Schulter offenbarte, sondern auch einen Teil ihres Busens.
Ein Anblick, der ihn sichtlich amüsierte.
„Vielleicht ist die Idee der Räuber gar nicht mal so schlecht“, meinte Mos. „Du bist zu mehr gut, als jemanden das Herz zu durchbohren.“ Er lachte auf. „Alina, ich werde schon dafür sorgen, dass du vor mir im Staub kniest. Und wenn ich mit dir fertig bin, du Miststück, wirst du keinen mehr in den Tod locken können. Dann will dich niemand mehr ansehen.“
Wie zur Warnung, fuhr seine Klinge über ihre Wange. Dort hinterließ sie einen dünnen Strich roten Blutes. Nicht ihres. Dafür war die Berührung zu sanft.
„Wenn ich mit dir fertig bin, wirst du darum flehen, dass ich dich töte!“
„Ero!“ Ein weiteres Mal rief sie nach ihrem Freund. Wieder blieb es ohne Reaktion.
Und wieder griff Mos sie an. Jetzt erkannte sie sogar sein Spiel.
Er war besser als Alina, wollte diese aber in die Enge drängen.
„Ein hübsches Mädchen wie du, sollte lieber die Finger von Dingen lassen, mit denen sie nicht umzugehen weiß!“
Sein Hohn klang beißend in ihren Ohren. Sie gelangte ans Ende ihres Weges.
Im Rücken spürte sie die kühle Wand des Zeltes.
Wieder glitt das Schwert unter den Stoff ihres Kleides. Der Ärmel riss, so dass Alina ihn auffangen musste, um nicht nackt vor diesem jungen Mann zu stehen, wie er es sich wünschte.
„Lass das Schwert fallen, kleines Mädchen“, befahl Mos in seinem höhnisch, süßlichen Ton.
Alina biss sich vor Wut auf die Unterlippe.
Sie war am Ende. Er wusste es, sie wusste es, und wenn sie hier lebend heraus wollte, musste sie ihm gehorchen.
Gehorsam senkte sie vor ihm den Kopf, genau wie das Schwert, dessen Klinge auf dem Boden ruhte. Ihre Hand umschloss weiter eisern den Griff.
„Kluges Mädchen!“, lobte Mos sie. Sein Finger umspielte den Ausschnitt ihres Kleides, der jetzt sogar niedriger als noch zuvor lag. „Du bist am Ende, Engelchen, also gib auf!“
Seine Augen weiteten sich in Erfüllung seines Wunsches.
Alinas Kleid rutschte ihren Körper hinab, hinein in die aufgewühlte und vom Blut feuchte Erde.
Mos mochte ein ausgezeichneter Schwertkämpfer sein. Aber er war auch nur ein Mann, der schon meinte, der Sieg sei errungen.
Unter Zwang hob Alina ihren Kopf an und öffnete die Lippen, noch ehe seine die ihren berührten.
„Oh ja, ich bin ein armes, hilfloses Weib!“ Ihre blauen Augen funkelten voll Kampfeswut auf, im selben Moment umfasste ihre Hand das Schwert schmerzhaft fest.
In den Jahren ihrer Arbeit hatte sie viel gelernt. Auch dass es manchmal besser war, die Fairness auf Trainingskämpfen anzuwenden, aber nicht hier, wo jeder Fehler einen bitteren Nachgeschmack besaß.
Mit aller Kraft stieß Alina die Schwertklinge in das Herz ihres Gegners.
Er stöhnte noch auf. Sein Blut floss über die Klinge, bis hin zum Griff und über Alinas kleine Hände. Dicke Tropfen benässten das Kleid zu ihren Füßen.
Dies mochte keine angenehme Aufgabe sein, wie so mancher Tanz vor einem dankbaren Publikum. Aber sie musste es tun. Bedauern und Mitleid für ihre Opfer hatte sie schon früh genug abgelegt. Lieber hob sie sich diese Dinge für andere Menschen auf. Einfache Bauern oder ihre Freunde.
Ihre Hände ließen das Schwert los. Der tote Körper des Mannes sank neben ihr zu Boden.
Wortlos hob sie ihr Kleid auf, um damit ihren nackten Körper vor dem Blick der einzigen beiden Lebenden zu bedecken. Nur noch ihre Finger hielten es oben.
Sie verließ das Zelt und damit auch das Grauen darin.
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